Von geplanten Abbaugebieten und Föhrenwäldern

Überraschend für alle Bözberger ist Ende Januar ein riesiges geplantes Abbauvorhaben auf dem Bözberg bekannt geworden. Noch ist vieles unklar, und die Wahrscheinlichkeit ist eher klein, dass gerade bei uns ein so grosser Eingriff stattfindet. Trotzdem hat die Ankündigung der Jura-Cement-Fabriken (JCF) erst in der Presse und darauf bei Behörden und Privaten ein grosses Echo ausgelöst (PRO BÖZBERG).
Um was geht es genau? Als einer von 3 möglichen Standorten für einen riesigen Steinbruch ist die Gegend Homberg/Stelli/Bärtschi/Chatzensteig im Grenzgebiet Effingen/Unterbözberg ausgewählt worden. Angesicht der grossen Dimensionen des Abbaugebietes, etwa 1'200 m x 950 m, handelt es sich um ein Vorhaben, das für unsere Gegend einmalig ist. Man kann sich kaum vorstellen, wie diese Gegend während oder nach dem Abbau aussehen würde.

Steinbruch Gabenchopf, Villigen: bei so grossen Abbauvolumen braucht eine natürliche Wiederbesiedlung viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte.


Schutz der Landschaft

Im Bereich Landschaft besitzt das vorgesehene Areal seinen grössten Schutz. Das Gebiet ist Bestandteil der Landschaft von nationaler Bedeutung "Aargauer Tafeljura" (BLN-Objekt Nr. 108) und steht somit bundesrechtlich unter Schutz. Ein Schutzobjekt von nationaler Bedeutung nur durch ein Vorhaben von ebenfalls mindestens nationaler Bedeutung geschmälert werden darf. Man kann sicher davon ausgehen, dass das Zementwerk als wichtiger Lieferant von Produkten für die Bauwirtschaft und den Arbeitsplätzen eine regionale Bedeutung weit über die Gegend von Holderbank hinaus besitzt; aber diese Bedeutung ist bestimmt nicht national. Als letzte Instanz hat das Bundesgericht, nicht zuletzt aufgrund der Einsprachen von Verbänden wie z.B. dem Schweizer Vogelschutz, diese Praxis immer geschützt.
Solche riesige Vorhaben machen deutlich, dass unser Verbandsbeschwerderecht eine wichtige Funktion erfüllt, und dafür sorgt dass die Chancen auch bei Grossprojekten nicht so ungleich verteilt sind. Die im Grossen Rat hängige Motion gegen das Verbandsbeschwerderecht ist sicher ein Nachteil für kleinere Landgemeinden.

Aus der Sicht des Naturschutzes

In der Natur ist Zerstörung nötig, damit neues Leben entstehen kann. Natürlich ist es so, dass durch den vorgesehenen Steinbruch alle heute im Perimeter vorhandenen Lebensräume vom intensiv genutzten Land über Fichtenforste bis zu wertvollen Altholzbeständen, seltenen Waldgesellschaften und auch die sehr wertvolle Sumpfwiese (mit einer Pflanzengesellschaft, die bis auf kleine Reste ausgestorben ist) beseitigt würden.

Eigentlich als positiv für das Projekt kann aufgeführt werden, dass die Natur das Potential besitzt, auf den frei werdenden Flächen im Verlaufe der Zeit wieder sehr wertvolle Standorte entstehen zu lassen. Aber es besteht ein nicht zu gering einzuschätzendes Risiko, dass die Entwicklung von wertvollen Standorten während des Abbaus nicht unterstützt wird, und für grosse Teile des Abbaugebietes sogar nach Kräften verhindert wird. Zudem braucht die Entwicklung wertvoller Standorte viel Zeit und eine umsichtige angepasste Abbauplanung, damit die Lebewesen von den heutigen wertvollen Standorten aus die neuen Flächen besiedeln können. Ob und wie dies für den geplanten Grosssteinbruch realistisch ist, können Sie anhand der nachstehend geschilderten Geschichte unserer Föhrenwälder selber entscheiden.

Der Föhrenwald ein ehemaliges Abbaugebiet

Im 18. Jahrhundert vermochte die traditionelle Dreifelderwirtschaft die wachsende Bevölkerung immer weniger zu ernähren. Die Äcker wurden trotz der regelmässigen Brache immer mehr ausgelaugt und die Wälder waren als Allmende stark übernutzt sei es durch die Beweidung oder durch die Gewinnung von Brenn- und Bauholz. Eine Lösung zur Verbesserung der Böden war das Ausbringen von frischen Untergrund. So ist im Aargauer Jura an verschiedenen Orten Gips abgebaut worden, wie die ab und zu vorkommenden Flurbezeichnungen Gipsgrube, Gipsmüli usw. belegen. Mergel eignete sich auch sehr gut für den Abbau und hatte den Vorteil, dass er nicht gemahlen werden musste. Dieses Gesteinsmaterial wirkte natürlich nicht so gut wie unsere Kunstdünger, aber der unverbrauchte Untergrund enthält viele Düngestoffe. Die mündliche Überlieferung bei uns besagt, dass das Material aus den Föhrenwäldern in die Rebberge gebracht wurde. In der Tat sind viele Föhrenwälder des Bözbergs auf Mergelböden in unmittelbaren Nähe von früheren Rebbergen zu finden. Aber gerade für die Föhrenwälder, die der NVSC pflegt (Tschueppis, Stierenacher und Feldhübel) gilt dies nicht. Es ist relativ einfach sich vorzustellen, dass in allen diesen Föhrenwäldern früher Material abgebaut wurde. Die Oberfläche ist sehr uneben und von kleineren und grösseren Hügeln und Vertiefungen durchzogen.

Wieso sind die Föhrenwälder so wertvoll?

Während und kurz nach dem Materialabbau waren die heutigen Föhrenwälder kahle Flächen, nur wenigen spezialisierten Pflanzen und Tierarten boten sie einen Lebensraum. Der Abbau erfolgte damals von Hand, ging also nur langsam vor und umfasste nur kleinere Flächen. Die Lebewesen aus den angrenzenden Gebieten, den damaligen Wäldern und Weiden, hatten somit genügend Zeit, die neuen Standorte zu besiedeln. Die Föhre als Pionierart keimte gut auf den Pionierstandorten, entwickelte sich aber häufig nur kümmerlich ("Goggelforren"). Sie war zusammen mit Wacholder die wichtigste Holzpflanze, da Weidetiere Nadelbäume weniger verbeissen als Laubholz.

Föhrenwald Tschueppis, Unterbözberg: anhand der Geländeformen kann man sehr gut den früheren kleinflächigen Materialabbau feststellen.

Im Verlaufe der Jahrzehnte konnten sich zunehmend mehr Arten aus den angrenzenden Wäldern in den Abbaugebieten ausbreiten. Hier muss noch ergänzt werden, dass die damaligen Wälder mit unseren heutigen Wirtschaftswälder nicht zu vergleichen sind. Sie waren schon seit Jahrhunderten übernutzt also sehr offen und richtige Bäume praktisch nicht vorhanden. Die zunehmende wirtschaftliche Entwicklung brauchte aber mehr Brenn- und Bauholz, die Wälder wurden besser geschützt und durften z.B. nicht mehr beweidet werden. Nur in den ehemaligen Abbaugebieten, wo die Entwicklung wegen der fehlenden Bodenschicht viel langsamer vor sich ging, konnten sich die offenen Bestände halten. So kommt es, dass unsere Föhrenwälder Lebewesen beherbergen, die sonst schon lange verschwunden sind. Nur dank dem zeitweisen Abbau von Lehm und Mergeln können wir überhaupt viele so seltene Arten bei uns bewundern.

Max Gasser, 31.3.2002